Verspäteter Wintergast
Bernd Lisek
31.01.2004
Seit Jahren sind Schwarzmützen-Zaunkönige1), deren Brutplätze in Nordamerika bis hinauf nach Alaska liegen, unsere Wintergäste. Sie kommen zwischen Mitte September und Anfang Oktober an und bleiben bis Mai. Ein Männchen hatte stets sein festes Revier hinter der Komposttoilette.
Als ich in diesem Jahr Anfang Januar auf EL ZORRITO eintraf, konnte ich keine Schwarzmütze entdecken. Was war geschehen?
Am letzten Januartag saß ich auf der Bank vor der Hütte und genoss die Nachmittagssonne. Plötzlich schwirrten zwei gelbe Punkte vom Südwesthang herab. Die beiden Vögel setzten sich auf niedrige Zweige am Rand der Hüttenwiese. Ein Paar Schwarzmützen-Zaunkönige! Das Männchen stieß einige seiner lauten "chiiit"-Schreie aus. Als erste wurden ein Pirrís2) und der stets anwesende Fliegenschnapper3) aufmerksam. Die beiden so unterschiedlichen Vögel wechselten ein paar kurze Laute und flogen in unterschiedliche Richtungen davon. Kurz darauf kehrten sie zurück, jeder begleitet von mehreren anderen Vögeln. Es klingt wie ein Märchen: Die Büsche und Bäume um den Sitzplatz der Schwarzmützen herum füllten sich mit einer Ansammlung der verschiedenen ständigen Bewohner des Sumpfwaldes.4)
Zunächst kam es zu einer kurzen Auseinandersetzung zwischen zwei Chlorospingus-Gruppen, die aber schnell abebbte. Nun begann das Schwarzmützen-Männchen zu singen. Die "chiiit"-Silben variierten in Rhythmus und Tonhöhe, so dass niemals der Eindruck von Wiederholungen entstand.
Was mochte der kleine Sänger wohl zu berichten haben? Was verstanden die anderen Vögel von seinem Bericht? Alle hörten aufmerksam zu, die Drosseln ständig zum Zaunkönig aufblickend, andere mit abgewandtem Kopf oder aus größerer Entfernung, aber reglos und still auf einem Platz sitzend. Nur ein paar Augenfleck-Tangaras verloren schnell die Geduld und gingen wieder auf Futtersuche. Die Schwarzmütze sang ohne Unterbrechung fast zwanzig Minuten.
Als der gelbschwarze Ankömmling verstummte, zerstreute sich die Versammlung schnell. Der Zaunkönig bezog wieder seinen Lieblingsplatz hinter dem Toilettenhäuschen.
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1) Wilsonia pusilla
2) Zonotrichia capensis, ein Sperling-ähnlicher Vogel
3) Megarhynchus pitangua
4) Außer den bereits genannten: drei Drosseln Catharus frantzii, zwei schwarzgelbe Fliegenschnapper Phainoptila melanoxantha, eine Amsel Turdus grayi, ein roter Tangara Piranga bidentata, zwei Baumläufer Premnoplex brunnescens, ein Specht Sphyrapicus varius, ein Paar schwarze Blütenstecher Diglossa plumbea, zwei Schwärme Augenfleck-Tangaras Chlorospingus ophthalmicus und drei oder vier nicht sicher erkannte kleine Vögel. Bemerkenswert war das Desinteresse sowohl aller Kolibris als auch der häufigen Finkenvögel wie zum Beispiel Atlapetes gutturalis.