Pochote

Bernd Lisek

1994



I.


Sí, Señor,
genau nach Maß.
Sie werden zufrieden sein.
Da hinten im Schuppen:
Ein schönes Stück Holz,
gerade richtig für die neue Platte
auf Ihrem Sekretär.
Ich mache ja nicht mehr viel.
Bin halt alt.
Alt wie diese Bohle,
alt und hart geworden.
Eine Seltenheit heutzutage.
Ein richtig gutes Stück Holz.
Vertrauen Sie nur
meinen erfahrenen Händen.
Ein Glanzstück wird das werden
in Ihrem großen Haus.
Die dunkle Tiefe,
wie Bitternis,
Bitterkeit, die
jeden Wurm vertreibt,
die haarfeinen Striche
und das helle Band,
alles bleibt,
wie Sie es hier sehen,
wenn ich längst
zum Richter dieser Welt
gerufen bin.
Ohne Beize,
denn dieses Holz
sorgt für sich allein,
fein poliert,
es ist der Ehre wert.
Sie sollen
Ihre Freude dran haben.
Ich mache das
nicht nur für Sie, Herr Advokat,
nicht für das Geld.
Ich habe immer
dem Holze gedient,
aus Zärtlichkeit.



II.


So ein Dreckzeug,
dieses Holz,
da kann man ja dran verzweifeln.
Was hat mir der alte Rechtsverdreher
da nur hinterlassen
mit seinen altmodischen Möbeln!
Die Säge kommt
überhaupt nicht voran.
Na klar,
das Küchenbord muß sein.
Warum nicht
die alte Schreibplatte zerschneiden,
habe ich mir gedacht.
Und nun das:
Eine Schweinearbeit!
Bestimmt wird die Säge
stumpf dabei.
Verdammt,
was ist das nur
für ein Holz?



III.


Sehr geehrter Herr Minister,
gewiß erinnern Sie sich noch
an unser Projekt XXX,
welches ich die Ehre hatte,
Ihnen vor nunmehr drei Jahren
vorstellen zu dürfen,
und welches Sie so großzügig
durch die Vergabe staatlichen Landes
zu Vorzugsbedingung
und durch die Bewilligung
eines verbilligten Kredites
unterstützten.
Die Idee,
durch Plantagenkultur des Pochote
zur Bedarfsdeckung an Edelholz
beizutragen und damit
die natürlichen Ressourcen
der Urwälder
zu schonen,
fand national und international
breite Beachtung und Anerkennung
sowohl in Wirtschaftskreisen
als auch unter Umweltschützern.
Unsere Großplantage
auf der Halbinsel Nicoya
wurde im ersten Jahr
wie geplant
vollständig mit Pochote-Setzlingen
bepflanzt, die sich
zunächst prächtig
entwickelten.
Im zweiten Jahr jedoch
ereignete sich
(haha!)
eine völlig unvorhersehbare
(hihi!)
Katastrophe
(hohoho!)
in Form einer Massenvermehrung
des Falters Plichronoptliblix,
dem leider
(eieiei!)
der größte Teil des
Pochote-Bestandes
zum Opfer fiel.
Damit wurde unser Projekt
durch höhere Gewalt
zum Scheitern gebracht.
Unser Unternehmen
steht vor dem
vollkommenen Ruin.
Da ein Konkurs unserer
Gesellschaft, an der,
wie Sie wissen,
der Staat einen beträchtlichen
Anteil hält,
nicht nur den Verlust
sämtlicher staatlicher Zuschüsse
zur Folge hätte,
sondern in Anbetracht
der eingeflossenen
Spendenmittel
ausländischer Umweltschutzorganisationen,
insbesondere aus den Vereinigten Staaten
und Europa,
das internationale Ansehen
dieses Landes
beträchtlich schädigen würde,
bitte ich Sie eindringlich
mitzuhelfen,
das wirtschaftliche Desaster
abzuwenden.
Wir sehen derzeit nur
einen Ausweg:
Das Schlimmste könnte
verhindert werden,
wenn Sie, Herr Minister,
ausnahmsweise (!)
und unter zeitweiliger
Nichtanwendung des Gesetzes
zum Schutze der natürlichen Strände
die Genehmigung erteilen könnten,
an der Seeseite
unserer nunmehr brachliegenden Plantage
einen Hotelkomplex
gemäß den beiliegenden Plänen
zu errichten.
Ich habe mir erlaubt,
die großzügig geplante Anlage
im Entwurf
nach Ihrer ältesten Tochter
zu benennen.
Falls Sie dies
nicht wünschen,
schlage ich ersatzweise
den Namen
"Hotel Pochote" vor.



IV.


- Mami, "Pochote" - was ist das?
- Bestimmt eine von den süßen Früchten,
aus denen sie hier die Cocktails
und den Eiscreme machen.